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Wissenschaftliche Argumente im PortugalForum

kailew

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Hallo zusammen,
da es in den letzten Wochen und Monaten (und Jahren) immer wieder mal Diskussionen um die Rolle von wissenschaftlichen Argumenten ging - etwa beim Thema Klimaschutz oder bei Corona - möchte ich gerne einige Empfehlungen für Journalisten mit Euch teilen, die mir wichtig sind und kommentieren, wie ich das in Bezug aufs PortugalForum sehe.

Die Thesen stammen aus dem Artikel:


1. Irreführende Vorstellungen über Wissenschaft über Bord werfen: Expert*innen sollten nicht zu Hüter*innen der Wahrheit überhöht werden – Wissenschaft ist keine Prophetie und Konsens ist seltener als viele meinen. Wissenschaftler*innen sind aber auch nicht gleichzusetzen mit politischen Interessenvertreter*innen. Eine Berichterstattung über wissenschaftliche Fragen, bei denen tatsächlich ein Konsens etabliert ist, benötigt keine konträre Meinung, damit sie ausgewogen ist. Entscheidend ist zu erkennen, in welcher Hinsicht es diesen Konsens gibt und in welcher Hinsicht nicht.

-> Handelt es sich um wissenschaftliche Fragen, in denen es noch keinen oder einen nicht besonders ausgeprägten Konsens gibt, wie etwa bei vielen Fragen um das Thema Corona, ist es besonders wichtig, sich das immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Vieles ist offen und ungewiss, und schon morgen kann es eine neue Erkenntnis geben, die eine alte korrigiert. Es hat sich dann niemand geirrt - mal vorausgesetzt, der wissenschaftliche Prozess läuft auf normale Weise - sondern eine alte, zunächst richtige These wurde von einer neuen besseren abgelöst. Bei wissenschaftlichen Fragen, wo es dagegen einen breiten Konsens gibt, führen schlicht konträre Meinungen nicht zu besseren Ergebnissen, es ist nicht etwas automatisch deshalb relevant, weil es sich gegen den wissenschaftlichen Mainstream richtet.

2. Recherche, Recherche, Recherche: Um aufrichtigen wissenschaftlichen Dissens von Scheindebatten zu unterscheiden und wissenschaftliche Erkenntnisse korrekt einordnen zu können, braucht es ein gewisses Mass an Fachkompetenz – das gilt für geistes- und sozialwissenschaftliche Kontroversen im Übrigen genauso wie für naturwissenschaftliche Auseinandersetzungen. Fachfremde Journalist*innen sollten deshalb im engen Austausch stehen mit ihren Kolleg*innen aus der Wissenschaftsredaktion – sofern es eine solche noch gibt.

-> In der Tat ist es für Journalisten wichtig, gründlich zu recherchieren, keine Frage. Es kommt aber auch im PortugalForum hin und wieder vor, dass Teilnehmer:innen Dinge recherchieren. Hier macht es sicher bei vielen Fragestellungen Sinn, einmal mehr statt einmal weniger hinzuschauen, ob einen Information, auch und gerade wenn sie die eigene Position stützt, wirklich stichhaltig ist. Man muss sich auch klarmachen, dass wir alle bei vielen Themen das nötige Maß an wissenschaftlicher Fachkompetenz kaum haben und daher eben vor allem die fachlichen Ebenen nicht beurteilen können. Was wir teilweise beurteilen können und wozu wir eine Meinung haben können, sind die sich ergebenden gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Aber auch hier gibt es, wenn man gerade die juristische Ebene bedenkt, viele Bereiche, in denen man über viele nötige Kenntnisse nicht verfügt.

3. Diskussionsebenen unterscheiden und auseinanderhalten: Geht es um wissenschaftliche Fragen, gelten andere Anforderungen an die Diskussion als bei politischen Fragen: Nicht jedes wissenschaftliche Detail ist relevant für politische Maßnahmen und wissenschaftlicher Konsens führt nicht zwingend zu politischem Konsens. Wie sehr eine Corona-Impfung vor einem schweren Verlauf von Covid-19 schützt, ist eine wissenschaftlich-medizinische Frage. Ob eine Impfpflicht eingeführt werden soll, geht über biomedizinische Erwägungen hinaus und muss politisch, ethisch und juristisch diskutiert werden.

-> Es bringt häufig nichts, sich in strittigen wissenschaftlichen Details zu verlieren, weil man eben als Nicht-Wissenschaftler:in vieles nicht beurteilen kann. Grundsätzlich klar sein sollte, dass wissenschaftliche Details eben vor allem solche sind und in fachfremden Diskussionsrunden kaum richtig bewertet werden können.

4. Argumente und Belege ins Zentrum stellen: Die Auswahl und Beurteilung von Expert*innen sollte nicht von deren Haltung zu einer bestimmten Frage, sondern von der Stringenz ihrer Argumentation abhängig sein. Dabei gilt: Tatsächliche und vermeintliche Widersprüche in den Aussagen ansprechen. Zudem keine bloßen Behauptungen akzeptieren, sondern Begründungen und Belege einfordern und diesen auch den entsprechenden Raum geben. Für einen wissenschaftlichen Konsens reicht es nicht, dass die Forschenden einer Disziplin mehrheitlich eine bestimmte Position einnehmen – sie müssen diese Position auch nachvollziehbar begründen und belegen können.

-> Eine wichtige Sache, die man gut aufs PortugalForum übertragen kann. Damit man in der Lage ist, eine Argumentation zu beurteilen, muss es eine solche geben. Gerade bei komplexen Fragen ist es deshalb wichtig und richtig, sich zu vergewissern, ob eine Behauptung stimmt oder sich leicht widerlegen lässt. Belege sollten aber geprüft und nicht einfach übernommen werden. Dabei spielt auch die grundsätzliche Glaubwürdigkeit einer Quelle eine große Rolle.

Vielleicht könnt ihr damit ja etwas anfangen, ich fand diese Empfehlungen ganz interessant.

Kai
 
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